In aller Kürze: Warum wir eine andere Bildung brauchen und was das bedeutet

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10 Thesen zur Bildung

  1. Medien sind »Weltbildapparate« (de Kerckhove).
    Sie kanalisieren Wahrnehmung und Denken der Menschen. Dadurch prägen sie Kommunikation bzw. Gesellschaft. Mit den jeweils historisch neuen Medien (Leitmedien) kann die Menschheit ihre aktuellen Probleme so bearbeiten, dass sie auch in Zukunft noch existiert.
  2. Das neue Denken ist vor allem ein Denken, das die höhere Komplexitätsstufe der Gesellschaft reflektieren und bearbeiten kann, um besser an diese Komplexität angepasste Handlungsoptionen zu finden und zu nutzen.
  3. Die aktuellen gesellschaftlich (= menschheitlich) relevanten Überlebens-Probleme sind in zwei Begriffen zu fassen: Klimakatastrophe und ökonomische Gerechtigkeit.
    Auf der naturwissenschaftlichen Ebene wissen wir längst, was auf uns zukommt, wenn es uns nicht bald gelingt, die Transformation der Weltgesellschaft in eine neue Epoche zu bewältigen. In eine Gesellschaft  ohne Ausbeutung unserer Naturumwelt und ohne Ausbeutung der Mehrheit der Menschen durch eine Minderheit.
  4. Das große Problem besteht darin, dass wir auf der gesellschaftlichen Ebene (also Ökonomie, Politik, Staat, Zivilgesellschaft) nicht gut wissen, wie wir das anstellen sollen, denn immer wieder zeigt sich, dass die Verhältnisse dazu tendieren zu bleiben wie sie sind. Eine Möglichkeit oder vielleicht auch nur eine Hoffnung besteht darin, das Lernen, die Bildung der Massen auf eine weltweit neue Stufe zu heben, damit sie an dieser Transformation arbeiten können, anstatt immer wieder die Fehler des alten gesellschaftlichen Betriebssystems zu wiederholen.
  5. Während das 20. Jh. das der Massenalphabetisierung war – alle lernen die Literacy -, muss das 21. Jh. zum Jahrhundert der Massen-Intelligenz werden – alle lernen die Literacy 2. Das bedeutet, dass alle das neue Denken (Komplexitätslogik statt einfacher linearer Logik) lernen, alle kritisches Denken (Argumentieren) lernen, alle lernen, wie man von und mit anderen zusammen lernt, und alle lernen, die digitalen Medien dafür zum größtmöglichen Nutzen einzusetzen. Lernen heißt ab jetzt in erster Linie Lernen um Probleme zu lösen, d.h. ihnen auf den Grund zu gehen, sie zu benennen und strategisch sinnvoll zu bearbeiten.
  6. Entscheidend für erfolgreiches Lernen sind Lernumgebungen, Lernprozesse und Strukturen. Zur Lernumgebung gehören auch Personen, Beziehungen und Kommunikationen, mithin: das ganze System der Bildung.
    Das ganze Bildungs-System muss also umgewälzt werden, um auf die Anforderungen dieser Literacy 2 zu antworten. Und weil es komplex ist – wie alle Systeme – gibt es keinen logischen Anfang, man kann überall anfangen. Aber man muss auch zugleich überall anfangen, denn alles im System ist von allem anderen darin abhängig.
  7. Komplex und kritisch denken lernen kann man nur, indem man es tut und immer wieder tut, bis man es meistert. Dazu muss man an den eigenen – nicht an fremden – Fragen arbeiten. Von Anfang an. Selbststeuerung heißt jedoch nicht, alles alleine zu machen. Im Gegenteil erfordert die Selbststeuerung gerade, dass erkannt wird, wo mit anderen zusammen gedacht, gearbeitet, gelernt werden muss, und wo man Unterstützung bekommt. Auch das ist, was zu lernen ist: Sowohl von den Schüler*innen als auch von den Lehrer*innen.
  8. Die bereits lange und weltweit erfolgreich erprobte Methode des problemorientierten Lernens an den eigenen Fragen entlang und in großen Gruppen ist das Projektlernen. Projektlernen kann man nur, wenn die Lehrer*innen es selbst praktizieren und für andere, nämlich ihre Schüler*innen die dafür nötigen Bedingungen bereitstellen können. Dazu müssen sie es lernen. Eine Lehrerbildung, die dieses Lernen nicht ins Zentrum stellt, ist nicht zeitgemäß und zukunftsorientiert, sondern bildet für die Vergangenheit aus.
  9. Projektlernen kann man außerordentlich gut mit komplexen digitalen Medien, die zur Vernetzung und Zusammenarbeit mit potenziell der gesamten Menschheit geeignet sind und dazu einladen. Die sozialen Medien sind Organisierungsmaschinen für die Massen. Was – nicht wer da organisiert wird ist die entscheidende Frage.
  10. Ob diese Frage historisch praktisch mit der Auslöschung der Ökosphäre des Planeten oder mit dem Ende der Ausbeutung durch einige wenige beantwortet wird, hängt am Eigentum. Das Eigentum an Kommunikationsinfrastruktur (und social media ist Infrastruktur in diesem Sinne) bestimmt darüber, in wessen Interesse sie genutzt werden kann. Solange diese gesellschaftsformatierende Infrastruktur der Informations- und Kommunikationsmedien Privateigentum einiger weniger bleibt, die damit ihren Reichtum auf Kosten aller anderen generieren, ist eine positive Antwort auf die Frage, welche Zukunft für die Menschheit organisiert wird, unwahrscheinlich.

3 Gedanken zu „In aller Kürze: Warum wir eine andere Bildung brauchen und was das bedeutet

  1. Mal wieder Vielen Dank für diesen tollen Beitrag! Das bestätigt mich in meiner Sicht auf die Welt und Geselleschaft, als sehr komplexes System und in meinem Wunsch Lehrer zu werden, um Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu helfen sich in diesem komplexen System zurechtzufinden und klar zu kommen.
    Dass das mit Projektlernen mit am besten geht, war ein für mich neuer, aber sehr einleuchtender Gedanke, denn ich weiter verfolgen werde.

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  2. Pingback: Zeit für zeitgemässe Bildung - Adriano Montefusco

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