Demokratische Schule

Kann die Regelschule in ihrer behördlichen Verfasstheit und mit dem ihr eigenen Systemdefizit (Verordnung von Mündigkeit)  überhaupt demokratisch sein? Reichen die bestehenden Mitbestimmungsorgane aus, um Demokratie in der Schule zu lernen und zu leben?

Wenn Demokratie laut Max Frisch, die „Einmischung in die eigenen Angelegenheiten“ bedeutet, dann müssen Schüler mehr zu bestimmen haben als über die Aufstellung eines Getränkeautomaten oder die Farbe der Schülerklowände zu entscheiden. Sie müssen über die wirklich relevanten Dinge in ihrem schulischen Leben – vor allem über das eigene Lernen und die Bedingungen, unter denen es stattfindet – mitreden und mitbestimmen dürfen. In vielen Schulen ist das Sprecheramt (Klassensprecher, Schulsprecher) jedoch marginalisiert und  zur Organisationsstelle von Partys verkommen.  In jüngeren Jahrgängen wird der Klassensprecher zuweilen gar von den Lehrern zur Disziplinierung der Mitschüler als Kapo missbraucht. Im Politikunterricht kommen die Mitbestimmungsorgane als Unterrichtsgegenstand hingegen meist gar nicht erst vor. Und wenn das Schulsprecherteam für eine Information oder für eine Schülerumfrage in den Unterricht der Klassen kommt, dann wird es von vielen Lehrern als störend empfunden.

Wie im Bereich des Unterrichts neue Lernformen in der intelligenten Praxis erprobt werden, so gibt es auch schon länger eine intelligente Praxis bezüglich der Schülerpartizipation. Klassenrat, Kinderkonferenz und Schülerparlament, Schulsprecherqualifizierungsseminare durch die Schülerkammer, software-unterstütztes organisiertes Schülerfeedback und paritätisch besetzte Aushandlungsrunden der Schulcommunity zu allen relevanten Fragen des Schullebens sind schon erprobte Instrumente einer lebendigen demokratischen Schulkultur. Freilich sind sie nur an wenigen Schulen Standard und überhaupt noch wenig bekannt.

Zum Klassenrat und zur Kinderkonferenz gibt es jetzt zwei Filme (in vier Videos), die bereits erprobte Praxis wunderschön dokumentieren. Hier wird nicht vorgeführt, wie man es gerne hätte. Hier kann man die Kinder und Jugendlichen bei ihrer „Partizipations-Tätigkeit“ beobachten.

Die Filme gibt es auf DVD beim Landesinstitut Hamburg . So finden sie allerdings wenig Verbreitung (außer durch Mund-zu-Mund-Beatmung in Fortbildungsseminaren). Darum ist es mir eine Freude, dass man sich jetzt auch traute, sie als Youtubes hochzuladen.

Der Klassenrat

Die Kinderkonferenz

11 Gedanken zu „Demokratische Schule

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  2. das ist alles gut und wichtig, was Lisa aufzählt, nur wollen wir nicht vergessen, in welchem sozialen und politischen Gewand die deutsche Schule auftritt: Es ist das des republikanischen Bettelmannes. Die Schule ist wahrscheinlich eine der undemokratischsten Institutionen ihrer Art weltweit. Im Kern hat Deutschland KEINE Schule für die Demokratie. Die Schule zwingt alle Kinder qua Schulpflicht in die Bänke – und gibt ihnen aber bereits mit zehn Jahren unterschiedliche Lehrpläne und Chancen. Es gehört zum ABC einer demokratischen Gesellschaft, dass alle Kinder von Staats wegen gleiche Startchancen bekommen – nicht so in D. Das bedeuet allerdings leider, dass alles, was Lisa aufzählt eher negativ zu sehen ist: Denn es verschleiert die wahre Gestalt der Schule: Es gibt kein richtiges Leben im falschen, oder: rs keinen deomkrstischen Klassenrat in einer undemokratischen Schule. Leider.

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    • tja dann, was ist der sinn deiner bemühungen, wenn es eh alles eitel ist? wenn dein wutanfall über die deutsche schule – den ich gut verstehen kann – verraucht ist, dann guck noch mal hin: wenn es kein richtiges im falschen gibt, dann müssen wir aufhören, richtig und falsch in diesem sinne zu bearbeiten, denn dann machen diese urteile keinen sinn mehr. wir müssen das unterstützen und fördern, was den kindern und jungen leuten das leben und lernen erleichtert und ihre mitbestimmungsmöglichkeiten vermehrt. denn was ist schlimmer als wenig mitbestimmung? – gar keine. absolute „echte“ oder wie immer auch „reine“ demokratie – gibt es das? es gibt zumindest in der beobachtbaren praxis des lebens immer mehr oder weniger davon. ich bin für mehr. oder willst auf eine verelendungstheorie hinaus? oder willst warten, bis es ein bildungs-fukushima gibt?
      ja klar, ich bin für eine schule für alle und habe schon oft darüber geschrieben. aber ich bin nicht der meinung, dass alles andere (z.B. die mitbestimmung innerhalb einer einzelnen schule) gleichgültig ist, wenn diese eine schule im gegliederten schulsystem ist. und ich finde es dumm, sich jetzt nicht um die stadtteilschule und ihre entwicklung zu kümmern, nur, weil es auch das gymnasium gibt.
      es geht eben gerade um die menschen! um die, mit denen ich zu tun habe. sollen sich deiner meinung nach die lehrer, die es ans gymnasium verschlagen hat wegen ihrem falschen leben im falschen erschießen?

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  3. „Im Klassenrat, da rechnet man nicht, sondern da versucht man, Sachen zu klären“ (Dennis, 1b). #schön

    Ich habe mir bisher nur den ersten Film angesehen (Klassenrat, Teil 1). Mir hat er sehr gefallen, zum einen, weil man sieht, wie gut die Kinder schon damit umgehen können, sich vor dem Plenum zu äußern, und zum anderen, weil die Lehrerinnen sehr einfühlsam mit den Kindern umgehen.

    Allerdings habe ich meine Zweifel, ob das Mädchen (A), das sich über „Erpressung“ beklagte, wirklich zufrieden ist. Die Frage des anderen Mädchens (B), wer den Gegenstand haben wolle, ließ eben nicht von vornherein darauf schließen, dass da ein Tauschgeschäft angebahnt werden sollte, so dass sich A brüskiert fühlen musste, als B eine Gegenleistung verlangte für etwas, das A als Geschenk erwarten durfte. – Aber das nur nebenbei.

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    • ja, der erste klassenratsfilm beschäftigt sich sehr mit der streitschlichtung. das ist auch immer das erste, was die schülerinnen in der grundschule bearbeiten wollen: ihre auseinandersetzungen untereinander. hier mag es nicht befriedigend für alle gelöst worden sein. was ich aber ganz gut finde, ist, dass die kinder insgesamt viel zufriedener mit dieser institutionalisierten, ritualisierten und gleichzeitig wenigstens halbwegs transparenten vorgehensweise sind, als wenn (a) „die lehrerin“ als schlichter (mit allen problemen) auftritt oder die auseinandersetzungen ganz den streitenden selbst überlassen werden. mit beiden letzteren „lösungsformaten“ sind alle kinder unzufrieden, weil sie sich entweder bevormundet (a) oder alleingelassen fühlen (b).
      trotzdem ist es sehr unbefriedigend, wenn der klassenrat bloß ein streitschlichtungsorgan wird.

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    • danke Maik, das ist eine gute gelegenheit, das video über euer streitschlichterprogramm zu zeigen! es gehört natürlich auch in das set von instrumenten einer demokratischen schulkultur!

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  6. Ein befreundeter Sozialpädagoge, der hauptberuflich in Gewaltfreier Kommunikation (GFK) a la Marshall Rosenberg tätig ist, riet mir mal zu folgendem:

    Wenn sich zwei Parteien streiten und sie zu dir kommen, bitte sie darum, dass sie zunächst versuchen, den Streit selbst zu lösen. Wenn ihnen das gelingt, sollen sie zu dir kommen(!!), und dir erklären, wie sie sich geeinigt haben.

    Wenn sie es nicht schaffen, den Streit alleine zu lösen, sollen sie auch zu dir kommen und dich um Hilfe bitten.

    So hätten die Streitparteien die größtmögliche Selbstständigkeit bei der Streitlösung, aber gleichzeitig auch die Sicherheit, dass ihnen ein Erwachsener hilft, wenn sie zu keiner gemeinsamen Lösung kommen.

    Meine persönliche Erfahrung mit dieser Art der Konfliktlösung ist seit fast nunmehr 2 Jahren äußerst positiv.

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  7. Pingback: Entdeckung: Schulblog zu Guter Praxis (hier: Inklusive Grundschule)

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