Lehrerblogs

Der Lehrerfreund hat uns Lehrern – und nicht nur den bloggenden – einen Service geliefert, für den ich mich herzlich bedanke: Berthold und Hermann Metz, die das Service-Blog seit dem Jahr 2000 betreiben, haben 70 deutschsprachige Lehrerblogs gesammelt, nach Alter geordnet und kurz kommentiert. Eine Heidenarbeit, vermute ich. Die Kategorisierung teilt ein in „Verteranen“, „Etablierte“ und „Säuglinge“. Ablesbar ist daran, dass sich auch in den deutschsprachigen Ländern die Blogs zum Thema Schule und Unterricht von einer Handvoll zu Beginn des Jahrtausends zu wahrscheinlich immerhin einigen Hundert vermehrt haben. Diese Zunahme steht allerdings in keinem Verhältnis zu der Zunahme in den angelsächsischen Ländern, in denen „der bloggende Lehrer“ offenbar schon länger üblich ist. Wenn man die Edu-Blog-Szene dort besichtigt, dann wird auch deutlich, dass Blogs vor allem zu Medien geworden sind, die den Erfahrungsaustausch für die professionelle Praxis organisieren. Wie das Web 2.0 das Lernen verändert und wie Unterricht sich darum verändern muss, ist neben der Organisierung der einzelnen Schulcommunity und der Schüler- und Elternpartizipation über Blogs das Hauptthema. Die Beispiele dafür sind Legion. Zu wünschen ist, dass die (Selbst-) Erfahrungen der bloggenden Lehrer in unserer Weltregion zunehmend auch dazu führen, Schule und Unterrichten ins Web 2.0 – Zeitalter zu befördern. Denn häufig sind die hiesigen Lehrerblogger noch sehr damit beschäftigt, ihren traditionellen Unterricht in der traditionellen Institution zu beschreiben. (Diese Etappe ist wohl notwendig.) Ich möchte allerdings vorschlagen, dazu überzugehen, die Diskrepanz zwischen der derzeitigen Unterrichtspraxis und dem, was man selbst als Web 2.0-User an neuer Lernkultur erfährt, in den Blick zu nehmen, anstatt wie viele es noch tun, das Bloggen als eine Privatangelegenheit zu betrachten.

Apropos privat: Der Lehrerfreund hat shift so kommentiert: „Ausführliche Beiträge zu schulischen, (medien-)pädagogischen und privaten Themen.“ Auf der Suche nach diesen privaten Themen in meinem Blog, das zu den „Veteranen“ gezählt wird, bin ich allerdings nicht fündig geworden. Was versteht der Lehrerfreund eigentlich unter privat? Mein Interesse für die Geschichte von NS und Holocaust z.B.? Es ist persönlich, wie Interessen immer persönlich sind, aber es ist natürlich ständig bezogen auf gesellschaftliche Diskurse, auf Unterrichtspraxis und Lernprobleme und insofern ich meine Gedanken dazu veröffentliche, wird es eben auch Teil dieses öffentlichen Diskurses. Never mind! Ich habe noch einige mir bisher unbekannte hiesige Lehrerblogs in Lehrerfreunds Service entdeckt – und bedanke mich!

Bewerten ist ein wichtiger Aspekt in der social-media-Welt. Drum hat auch der Lehrerfreund einen Award ausgeschrieben für die „besten drei Lehrerblogs“, die man aus 10 vom Lehrerfreund nominierten Blogs heraus“voten“ darf. Hm. Zwar habe ich mich schon immer geärgert über den Edublog-Award der angelsächsischen Länder, da er nur englischsprachige Blogs berücksichtigt. (Notieren: Partizipationskompetenz an der Weltgesellschaft erfordert endlich das Umsteigen auf die englische Sprache.) Aber immerhin gibt es dort eine Kategorisierung, die nicht der Formalität des Blogalters folgt, sondern der funktionalen Spezifik. Nach welchen Kriterien wählt der Lehrerfreund die 10 aus 70? Das ist noch nicht bekannt – man darf also gespannt sein.

Transformation des Schulsystems

Wieviel Veränderung ist nötig? – Reicht es, das gegliederte Schulwesen durch Zusammenlegung um ein, zwei „Glieder“ zu mäßigen? Oder hilft nur die radikale Wende zur Einheitsschule/Einer Schule für Alle als Regelschule?

Welche Elemente müssen verändert werden? – Reicht es, die äußere Schulstruktur zu verändern, und alles andere bleibt beim Alten oder ruckelt sich zurecht? – Oder muß ein Masterplan her, der von Reformbeginn an das gesamte System inklusive Lehrerrolle, Lernkultur, Schulkultur transformiert?

Welche Veränderungsstrategie wird zum Erfolg führen? – Eine vorsichtige mehrstufige, die zunächst Haupt- und Realschule zusammenfasst, danach alle nichtgymnasialen Sekundarschulen mit den HR-Schulen zusammenlegt, und – vielleicht! – in einem dritten Schritt diese Regionalschule irgendwann mit dem Gymnasium fusioniert? – Oder eine radikale Ersetzung des gegliederten Systems (inklusive der Sonderschule!) durch die Eine Schule für Alle in einem Schritt?

Im Unterschied zum finnischen Modell der radikalen und mit einem vernünftigen Gesamtkonzept ausgerüsteten Transformation, scheint es hierzulande immer gerade nur so viel Teilveränderung zu geben, wie als unbedingt nötig und nicht mehr vermeidbar empfunden wird.

In Berlin will der SPD-Bildungssenator Zöllner jetzt ein ähnliches Strukturveränderungsmodell einführen, wie in Hamburg die schwarz-grüne Koalition: Das zweigliedrige Schulwesen – eigentlich immer noch dreigliedrig, weil die Sonder- bzw. Förderschule außen vor bleibt.

Im Bildungsinfo von Georg Lind fand ich dazu heute folgenden Kommentar, dem ich uneingeschränkt zustimme:

„Das zweiteilige Schulsystem liegt momentan im Trend, ist aber nicht der Weisheit letzter Schluss! Irgendwann muss die Gesamt- oder Einheitsschule her.
Für die zweiteilige Schule spricht:
Andere Bundesländer (Hamburg) haben das schon getan oder werden es sicher bald tun (müssen), weil den Hauptschulen die Schüler ausgehen.
Alle Kinder bekommen zehn Jahre Schule garantiert und eine reelle Chance, später einmal Abitur zu machen.
Die größeren Einheiten (mindestens vierzügig) und der Ganztagsbetrieb öffnet pädagogisch kompetenten und lernwilligen Lehrerkollegien viele Möglichkeiten, ein attraktives und vielfältiges Lernangebot für Kinder aus diversen Milieus zu basteln
Das Sitzenbleiben ist abgeschafft! Die hohen Kosten fürs Sitzenbleiben werden sinnvoller für pädagogische Fördermaßnahmen eingesetzt und
nicht zuletzt werden die ewig-gestrigen Gymnasialideologen unter den Eltern und Lehrern nicht vergrätzt. Für sie bleibt alles beim alten. (Wenn sie das mal nicht bald bereuen!)
Dennoch bleiben viele Fragen offen und gibt es erhebliche Risiken für diese Politik:
Bestehende Gesamtschulen in Berlin und Hamburg, so scheint es, werden auf kaltem Weg abgeschafft. Sie, die sie immer für eine demokratische Schule für alle Kinder gekämpft haben, müssen sich vermutlich jetzt entscheiden, ob sie Fisch oder Fleisch, Gymnasium oder „Regional“-Schule sein wollen.
Die Entwicklung zur demokratischen Schule für alle könnte mit dieser Zwischenreform auf ewig verschoben werden. Wir wären dann immer noch eines der ganz wenigen zivilisierten Ländern mit einem Apartheid-System im Bildungsbereich.
Was mit den Sonderschulen geschehen soll, wird nicht berichtet. Es besteht die Gefahr, dass sie nach wie vor als Ventil „nach unten“ auf der Bildungsleiter funktionieren werden.
Kein Wort über die notwendigen neuen pädagogischen Konzepte (Umgang mit Heterogenität, individuelle Förderung, Offener Unterricht etc.), die eine solche Reform begleiten müssen, und auch kein Wort über die notwendige inhaltlichen (!) Reformanstrengungen in der Lehrerbildung, ohne die das Ganze scheitern wird. In großen Schulen mit einer heterogenen Schülerschaft, werden pädagogische Inkompetenz und schlechte Lehrerbildung gnadenlos aufgedeckt. Leider werden die Folgen solcher Planlosigkeit wieder nur die Kinder und Lehrer zu spüren bekommen. Medien und Politiker können den Zusammenhang meist nicht wahrnehmen.
GL“

In Hamburg gibt es Anstrengungen, in der Lehrer(fort)bildung die nötigen Veränderungen in Gang zu setzen. Die Haupt-Stichworte heißen hier Individualisierung und Kompetenzorientierung. Was das aber genau in der Praxis bedeutet, d.h. wie die Lehrer individualisiert und kompetenzorientiert ihre Fächer unterrichten können, ist noch ziemlich unklar. Der erste wichtige Schritt wäre also, diese Ungewissheit, wie die Neue Lernkultur denn aussieht, nicht zu vertuschen, sondern offen zu bekennen. Dann hat man nämlich die Chance, zu sehen, wieviel Experiment, wieviel „Werkstattarbeit“ nötig ist, um das Neue Lernen zu entwickeln. Und dann könnte man auch erkennen, daß Experimentieren und „Werkstatt“ bzw. „Labor“ tatsächlich schon wichtige Begriffe eben dieser Neuen Lernkultur selbst sind!