Projektlernen im digitalen Zeitalter – Auf dem Weg zur Lerngesellschaft

CC Richard Giles

CC Richard Giles

Projektlernen, PBL, John Deweys‘ Methodology – dies sind Wiederentdeckungen in Zeiten des Web 2.0, seitdem klar ist, dass eine neue Art des Lernens außerhalb der formalen Bildung in den Institutionen von Schule, Hochschule und Weiterbildung immer mehr an Bedeutung gewinnt.

Nicht mehr diskutiert werden muss auch, dass das reduktionistische Lernkonzept der Industriekultur, das ausschließlich systematisches „akademisches“ Buchlernen historisch prämiert hat, längst überholt und das Festhalten daran verantwortlich für das Scheitern der Bildungsinstitutionen auf allen Ebenen ist – gemessen an deren Funktion, die Kompetenzen/das Wissen individuell und gesellschaftlich zu bilden, die nötig sind, um die historischen Aufgaben der Menschheit des 21. Jahrhunderts bewältigen zu können.

Lernen in der Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts wird DIE entscheidende Operationsweise aller sozialen und psychischen Systeme schlechthin: Menschen und Organisationen, die nicht ausreichend und permanent lernen (und zwar sowohl das, was gebraucht wird, als auch auf eine adäquate Art und Weise), werden in Zukunft immer weiter an den Rand der Gesellschaft gedrängt, von der Teilhabe ausgeschlossen und schließlich abgehängt bzw. als Organisation oder Institution liquidiert.

Von welcher Art wird dieses Lernen 2.0 als Operationsweise der Kultur des digitalen Zeitalters sein?

Die 4 wichtigsten Merkmale dieses Lernens:

  • Lernen ist selbstbestimmt
  • Lernen ist personalisiert
  • Lernen ist kollaborativ
  • Lernen ist vernetzt

Diese Merkmale findet man bisher fast ausschließlich in nonformalen und informellen Lernkontexten, vor allem im Netz, aber auch in der außerschulischen Jugendarbeit sowie im autodidaktischen privaten Raum von Erwachsenenbildung. Die formalen Bildungsinstitutionen müssen ihre Systemeigenschaften dahingehend neu definieren, dass sie diese Merkmale ebenfalls zu Hauptmerkmalen des Lernens in diesen Institutionen machen können.

Was haben wir schon  – was brauchen wir noch?

So lauten zwei wichtige Fragen in einem der Instrumente der Methodologie des Projektlernens. Auch in disruptiven, revolutionären Zeiten wird niemals alles bisherige weggeworfen (Der Begriff der dialektischen Aufhebung ist eine Modellvorstellung dafür.)

Die 7 Phasen eines Projekts

Die 7 Phasen eines Projekts

Wir haben schon die Methodologie des Projektlernens, in der ähnlich wie im Internet selbstbestimmt, personalisiert und kollaborativ vernetzt gelernt wird – vorausgesetzt, dem Projekt-Begriff liegt das Deweysche Verständnis zugrunde. Denn vieles nennt sich Projekt und funktioniert ganz anders.

Wir haben schon vielfältige Lern-Erfahrungen aus der digitalen Welt, die Erfahrung mit dem Lernen in nonformalen Lerngemeinschaften und in Persönlichen Lernnetzwerken.

Wir brauchen noch, dass sich die reflektierten Erfahrungen des Projektlernens mit denen des Web2.0 – Lernens zu einer neuen selbstverständlichen Einheit verknüpfen können. Dazu müssen sich die beiden bisher getrennten Welten erst einmal treffen:

  • um ihre gemeinsame Philosophie zu entdecken,
  • um ihre jeweilige Praxiserfahrung zu kommunizieren und
  • um gemeinsame Taten zu planen und in Gang zu bringen.

Eine Gelegenheit dafür wird am 15. Juni 2012 in Hamburg sein. Wolfgang Steiner und ich haben zusammen die Begegnung am Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung als eine vierstündige Veranstaltung geplant und organisiert. Das Programm enthält sowohl organisierten Erfahrungsaustausch, als auch Praxiserprobung in verschiedenen Workshops sowie (theoretische) Reflexionszeiten.

Teilnehmen können alle Interessierten aus dem „Edu-Bereich“. Wer Hamburger LehrerIn oder ReferendarIn ist, meldet sich über TIS 1214D1301 an, alle anderen bitte bei
lisa.rosa@li-hamburg.de

30 Gedanken zu „Projektlernen im digitalen Zeitalter – Auf dem Weg zur Lerngesellschaft

  1. Super! Bin dabei, gerne Workshop 4 (mit der einleitenden Frage: Warum TitanPad? TitanPad currently does not work with iOS devices like Apple’s iPad or iPhone. smile).

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  2. Hört sich spannend an, wenngleich ich von Bayern aus nicht dazu kommen kann. Auf alle Fälle ist die Idee, Pojektlernen zu fördern und mit dem Internet enger zu verweben, super und erfolgsversprechend. Schwierig ist für mich nur die richtige Themenwahl. Denn viele Themen sind ein wenig an den Haaren herbeigezogen und dienen nur dem Ziel „Wir machen ein Projekt, weil das gerade In ist“. Die Schüler empfinden das dann sehr oft als aufgesetzt und gekünstelt.

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    • Zur Frage der Wahl des Projektgegenstands bzw. Themas:
      Entweder der Gegenstand wird von den Projektteilnehmern selbst bestimmt, oder sie können aus einer Offenen Liste (Vorschläge) auswählen, oder der Gegenstand wird aus dem Bildungsplan genommen (muss also sowieso „behandelt“ werden). Auf jeden Fall geht es beim Dewey-Projektverständnis darum, dass die Projektteilnehmer an ihren eigenen Fragen arbeiten. Aufgesetzte, aufs Auge gedrückte Gegenstände, Themen oder Fragen haben jedenfalls nichts mit dem Projektlernen im obigen Sinne zu tun, ja sind sogar dem Sinn des Projektlernens diametral entgegengesetzt.

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      • Als Musiker arbeite ich mit Kindern immer zusammen an Projekten.
        Wenn ich Webseiten von Schulen ansurfe ist das Web.2.o noch nicht angekommen.
        Eltern, Lehrer sind hier wohl noch sehr in Sorge wegen des Datenschutzes.
        Mein Tipp
        1. Lerninhalte für Schüler Eltern auf einen Blog posten, von der Schul-Homepage verlinken.
        2. Schwierige Sachverhalte aus Schülersicht in einem Videoclip erklären
        3. Einbeziehung der sozialen Netzwerke.
        4. Kontakt zu einer anderen Schule aufbauen, wo Schüler Sprachen trainieren.

        Erfahrungen mit der Schule Tugbungan / Philippinen eBook http://aloisbrinkmann.pressbooks.com/front-matter/introduction/

        schöne Grüße aus dem Emsland

        Beispielclip https://vimeo.com/40784357

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    • Danke für den Hinweis auf den interessanten Artikel. Allerdings betrifft diese Diskussion eine Denk-Ebene oberhalb unserer Projektveranstaltung. Und wenn ich Dir auf dieser Ebene antworten darf: Ich bin mir noch gar nicht sicher, ob der Begriff Didaktik in der nächsten Kultur (bzw. next society) überhaupt weiter gebraucht wird oder nicht vielmehr durch das immer bedeutsamere werdende „autodidaktische“ Lernen als Faktum historisch zu den Akten zu legen ist. (Das „Autodidaktische“ wird damit natürlich als Begriff auch überflüssig.)

      Aber natürlich gefällt mir Dein Konzept „Didaktisches Design“ viel besser als „Instructional Design“. Am sinnvollsten fände ich momentan: „Projektdesign“. Denn meiner Vorstellung nach ikann man alles intentionale Lernen als Projekt beschreiben.
      Meine Modellvorstellung vom Lernen hat ihren Theorierahmen nicht nur im Konstruktivismus sondern auch in der Kulturhistorischen Schule. Konstruktivistische Lerntheorien sind mir zu eng und setzen stillschweigend voraus, was gelernt werden soll/muss, bzw. setzen das commitment der Lernenden zu einem ihnen äußerlich gegebenen Curriculum voraus. Konstruktivisten fragen nicht nach dem Why, sondern nur nach dem What und How. Die Kulturhistorische Schule der Psychologie hat dagegen mit Leont’ev vor allem das Why als Schlüssel für What and How entdeckt mit der Kategorie des Persönlichen Sinns und dem sinngebenden Lernmotiv in der Tätigkeit.

      Projektlernen ist für mich die weiteste Methodologie des intentionalen (nicht Sozialisations-) Lernens. Die Intentionalität bezogen auf die Gegenstände des Lernens liegt dabei immer auf Seiten des/der Lernenden. Ein oder mehrere „Lehrende“ haben dabei die Aufgabe, bei der Entwicklung von Projektlernkompetenz (enthalten darin: Netzwerkkompetenz) zu helfen oder als Referent/Trainer/Begleiter/Coach in einem bestimmten untergeordneten Aspekt des Projekts zu dienen. Im Projektrahmen eines Lernvorhabens liegen m.E. Sinn und Motiv (das ist das Why). Wenn ich vom Lernenden aus einen formalen, institutionalisierten Rahmen sehen möchte, dann komme ich daher – auf „schulischer“ Ebene – immer bei den Sudbury-Schools und folgerichtig nur bei ihnen an. Ich brauche dann Begriffe wie „Methodologie“ und „Methoden“ des Lernens (immer bezogen auf den jeweils konkreten Lerngegenstand), aber keine „Didaktik“ mehr, denn das einzige „Didaktische Design“ wäre eben das, das die Projektlernmethodologie und die Bildung von Lernnetzwerken ermöglicht und fördert.

      Die Erfahrungen mit den Computer-Lernstationen Sugata Mitras geben mir, meine ich, Recht, wenn ich mir vorstelle, dass in Zukunft die Aufgabe von Bildungsinstitutionen darin liegt, die Voraussetzungen für das Entstehen und Bestehen solcher Lernnetzwerke als selbst organisierende Systeme bereit zu stellen.

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  3. sehr wichtig, danke. wie verhaelt sich hier Lernen anhand von projekten zu „lernprojekten“, also quasi „scrum learning“?

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    • Zwar geht kein Lernprojekt/Projektlernen ohne ein gewisses Maß auch an Projektmanagement-Kompetenz. Aber es geht hier ja in erster Linie um das Lernen von Kindern und Jugendlichen und nicht um die Optimierung von Produktentwicklung in der Wirtschaft. Projektlernen durch Lernprojekte in der Allgemeinbildung darf insofern nicht der ökonomischen Effizienzmaxime unterliegen „so schnell so viel und so perfekt wie möglich bei minimalem Ressourcenverbrauch“. Das klingt mir nach neoliberalen Lernvorstellungen. Da wären wir dann wieder beim Bulimie-Stofffressen anstatt beim Weltaneignen nach eigenem Sinn. Wenn wir uns noch mal vor Augen halten, worin die Schlüsselkompetenzen bestehen, die unsere nachwachsenden Generationen erwerben müssen – die Fähigkeit zum Umgang mit sich selbst, zum Umgang in heterogenen Gruppen und zum Umgang mit Medien (die drei OECD-Keycompetencies), und zwar so, dass ein Höchstmaß an individueller Zufriedenheit im Einklang mit den Gattungsinteressen (Menschheit) selbstbestimmt erreicht wird, dann geht es nicht um viel, schnell, kostenminimal, sondern um Qualitäten von Lernprozessen, die Zeit brauchen. Mußefähigkeit, philosophische Einsichten (nicht bloß kognitiv äußerlich gelernt, sondern wirklich selbst erworben und erlebt), soziologische Analysefähigkeit, Empathie, Ausdauer und Willenskraft, logisch-mathematische und theoretische Denkfähigkeit, Flowerlebensfähigkeit – ob man das mit Scrum gesteuerten Projekten lernen kann? Und wenn ja, inwiefern?

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      • was ich meinte (da noch allzu mobil-lakonisch), war: lernen selbst kann ja als projekt organisiert werden.

        also: „wir wollen wissen, wie es sich mit XXX verhält“. das kann von mir aus auch ein ausschnitt aus der trigonometrie sein. es geht ums „wissen wollen“. und dann wäre „projektlernen“, etwas weiter gefasst, dafür die besten praktiken des „agilen projektmanagement“ aufzugreifen und zu adaptieren.

        scrum war hier nur ein beispiel, aber ich denke, dass die kooperations- und selbstorganisationsmethoden der OpenSource-Community näher an deinen zielen sind als am wirtschaftsfixierten effizienzkult. (die übergänge finde ich selbst sehr interessant.)

        (mein vereinzelter zustimmungskommentar unten war übrigens eigentlich auf deine letzte kommentar-antwort zu didaktik usw. gemünzt.)

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    • “wir wollen wissen, wie es sich mit XXX verhält”. das kann von mir aus auch ein ausschnitt aus der trigonometrie sein. es geht ums “wissen wollen”. und dann wäre “projektlernen”, etwas weiter gefasst,“
      na klar, ganz genauso ist es gemeint!
      „scrum war hier nur ein beispiel, aber ich denke, dass die kooperations- und selbstorganisationsmethoden der OpenSource-Community näher an deinen zielen sind als am wirtschaftsfixierten effizienzkult. (die übergänge finde ich selbst sehr interessant.)“
      Ok, dann lässt sich da ganz bestimmt eine Menge lernen fürs Projektlernen – auch von den Projektmanagement-Instrumenten der Wirtschaft. Das ist ja alles noch überhaupt nicht ausgelotet. Denn der „Projektunterricht“ (ich sage lieber Projektlernen) ist ja eine schon sehr lange bekannte Unterrichtsform, die aber bisher in der Regel ein sehr randständiges Schattendasein fristen musste, z.B. in den toten Tagen nach der Zeugnisausgabe. Und dann wird irgendetwas „mal ganz anderes als Unterricht“ gemacht ohne jegliche Projektkompetenz und Methodologie-Kenntnis. Jetzt aber wird Projektlernen auf neue Weise ernst genommen. Und da müssen wir auf der Matte stehen: Projekt“didaktiker“ nach Dewey, Projektmanagement-Erfahrene und Autodidaktik-Erfahrene, Netzwerker und WebzweiNuller.

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      • ja, genau: die existierenden, sehr vielfältigen ansätze von „project management 2.0“ wäre aus meiner sicht die wichtigste quelle von inspiration. die praktiken und die tools (nicht zu trennen). ich vermute mal, dass das sich sehr gut mit Dewey zur deckung bringen ließe.

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  8. @Alois yippy, tolles Projekt! Im Musikbereich bietet sich Projektlernen ja fast von selbst an, ich habe fast 2 Jahrzehnte Schülerbandbetreung außerhalb der Unterrichtszeit gemacht, es war immer irgendwie Projektlernen, auch für mich, und es war immer toll. Krönender Abschluss war die Musical-Aufführung „Der kleine Horroladen“, erstaunlich, was dabei auf vielen Ebenen freigesetzt wird. Leider ist es im Unterrichtsgeschehen nicht ganz so einfach, man muss sich Nischen und Freiräume suchen, stößt dabei aber schnell an Systemgrenzen. Dein Vorschlag, social media einzubeziehen, kann dabei sehr hilfreich sein, z.B. bei einer Ergebnisvorstellung in youtube oder facebook o.ä. mit größerer Außenwirkung. Einige Schulen haben ja auch schon facebook-Seiten, da passt das gut hin. Zusätzliche Verlinkung von der Schulhomepage ist noch einmal hilfreich. Es ist wichtig, gute Praxisbeispiele auch als Marketingbeitrag für Projektlernen einzusetzen, der öffentliche Hinweis auf Erfolge schafft wiederum bessere Ausgangsbedingungen für nächste Projekte. @Lisa: das gilt natürlich auch für Blogs 🙂

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  9. Danke für den Link! Toller Artikel, aber auch leicht deprimierend, wenn man bedenkt, in welche Richtung die Entwicklung auch in Deutschland geht (Erfolgsmeldungen wie „Schule ohne Kreidetafeln, alle Räume mit Whiteboards ausgestattet“, benutzt werden sie dann für ‚besseren‘ Frontalunterricht). Skinner & Co können auch bei uns gegen Dewey gewinnen, wenn wir nicht aufpassen.

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    • Aufpassen reicht wohl nicht. Und: Das war ein Kampf von vor hundert Jahren! Wollen wir ihn nicht wenigstens auf dem Niveau der Gegenwart kämpfen? Inzwischen ging es ja weiter mit der pädagogischen Psychologie. An Dewey anknüpfen – JA! Bei Dewey (und Handlungstheorie) stehen bleiben: NEIN.

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