In der letzten Zeit fällt mir doch immer häufiger wieder „Das Vielleicht-Lied“ von Brecht und Eisler ein, wenn ich Menschen begegne, die immer noch glauben, hoffen und wünschen, es könnte doch alles so bleiben, wie es ist. (Ich sage jetzt mal nicht, welche ich damit meine, es sind einfach zu viele in zu vielen Kontexten.) Ich widme es heute denjenigen, die meinen, sie könnten das Internet zusätzlich zu ihren bisherigen Medien bekommen als „Sahnehäubchen“ und das auch noch optional. Ich widme es allen Kanonliebhabern der Bildung, die glauben, sie könnten wählen, ob sie an Kanonisierter Bildung festhalten wollen oder nicht, und allenfalls ein paar Kanoninhalte austauschen. Ich widme es denjenigen, die in Hamburg ihr Bildungsprivileg erhalten wollen unter dem demagogisch eingesetzten Motto: „Wir wollen lernen“. Und nicht zuletzt widme ich es denjenigen, die glauben, sie könnten weiterhin Auto fahren, auf quantitatives Wachstum anstatt auf qualitative Lebensqualität setzen und dabei trotzdem das Klima retten … also eigentlich allen, die nach dem Prinzip verfahren möchten: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!
Bertolt Brecht: Das Vielleichtlied
Vielleicht vergeht uns so der Rest der Jahre,
Vielleicht vergehn die Schatten, die uns störten,
Und die Gerüchte, die wir kürzlich hörten,
Die finster waren, waren nicht das Wahre!
Vielleicht, dass sie uns noch einmal vergessen,
So wie wir gern auch sie vergessen hätten?
Wir setzen uns vielleicht noch oft zum Essen.
Vielleicht sterben wir noch in unseren Betten?
Vielleicht, dass sie uns nicht verdammen, sondern loben?
Vielleicht gibt uns die Nacht sogar das Licht her,
Vielleicht bleibt dieser Mond einst voll und wechselt nicht mehr?
Vielleicht fällt Regen doch von unten nach oben?
Vielleicht fällt Regen doch von unten nach oben!
Hier mit der genialen Musik von Hanns Eisler, interpretiert von Dorine Nietzing: